Interview mit Maria Hummitzsch im Rahmen der Leipziger Buchmesse

Lesen Sie Bücher in ihrer Freizeit? Wenn ja, gehören Sie zu den 50% der Deutschen, die täglich oder zumindest einmal die Woche lesen, was eine Studie des GfK herausgefunden hat. Für diesen Teil der Deutschen gibt es Veranstaltungen, auf welchen die Besucher sich literarische Werke aus verschiedensten Teilen der Welt anschauen können, so auch die Leipziger Buchmesse, welche der 12. Jahrgang besuchte, um sich die neusten Werke der verschiedensten Autoren aus allen Teilen der Welt anschauen zu können. Im Rahmen der Leipziger Buchmesse haben wir die Übersetzerin Maria Hummitzsch darum gebeten, ein Interview mit uns über ihre Arbeit und die Entwicklungen und Tendenzen im Buchbereich  und die immer weiter wachsende Digitalisierung zu führen.

Wir: Hallo Frau Hummitzsch und danke, dass sie sich für dieses Interview Zeit genommen haben. Könnten Sie sich zu Beginn einmal kurz den Lesern vorstellen?

Hummitzsch: Natürlich. Ich heiße Maria Hummitzsch und arbeite als Übersetzerin. Ich übersetze aus dem Portugiesischen bzw. Englischen ins Deutsche und bin zudem zweite Vorsitzende beim Verbund der Übersetzer (VdÜ).

Wir: Wie sind Sie zum Beruf der Übersetzerin gekommen Frau Hummitzsch? Und war dies schon immer dies, was Sie später machen wollten?

Hummitzsch: Nein, ich hatte mir nicht schon als Kind vorstellen können, einmal Übersetzerin zu werden. Nach meinem Abi habe ich mich dafür entschieden, Psychologie zu studieren. Über dieses Studium bin ich dann zur Idee gekommen, für eine gewisse Zeit nach Brasilien zu gehen, was dazu geführt hat, dass sich meine Sprachkenntnisse in der portugiesischen Sprache verbesserten und ich begann, das erste kleine Buch zu übersetzen.

Wir: Eine Frage, die man sich stellen könnte, ist, ob sie als Übersetzerin Bücher in der Originalsprache oder eine Übersetzung dieser lesen?

Hummitzsch: Beides. Ich lese gerne original englischsprachige bzw. portugiesischsprachige Bücher, da ich dadurch meine Fremdsprachenkenntnisse auffrischen kann, aber auch Übersetzungen, um zu sehen, wie Kollegen diesen oder jenen Satz übersetzt haben.

Wir: Könnten Sie vielleicht dem Leser aufzeigen, wie der Ablauf beim Übersetzen eines Buches ist und wie der Alltag eines Übersetzers währenddessen ausschaut?

Hummitzsch: Also zu Beginn muss angeführt werden, dass der Beruf des Dolmetschers und Übersetzers freie Berufe sind, was bedeutet, dass der Übersetzer auch Eigeninitiative zeigen muss, um einen Auftrag zu erhalten. Nachdem ein Auftrag angenommen wurde, beginnt ein Übersetzer erst damit, dass er sich über den Themenschwerpunkt informiert und gegebenenfalls Recherchen betreibt, was auch ich regelmäßig machen muss.

Wir: Hätten Sie vielleicht ein Beispiel?

Hummitzsch: Ja, das habe ich. Ich musste einmal ein Buch übersetzen, in welchem es auf mehreren Seiten verteilt eine Szene gab, in welcher über Tontechnik und Ähnliches gesprochen wurde. Daraufhin musste ich mich bei einem Bekannten zuerst drei Tage lang über Tontechnik schlau machen, damit eine gelungene Übersetzung überhaupt möglich ist.

Wir: Und wie geht es dann weiter?

Hummitzsch: Nachdem dies getan ist, muss der Übersetzer sich zuerst klarmachen, wie die einzelnen Figuren sich ausdrücken, da die Sprache einer Person durch seine soziale Umgebung (Soziolekt) und seinen Bildungsgrad geprägt werden. Danach mache mache ich persönlich immer zuerst eine Rohübersetzung des Satzes, um die grundlegende Bedeutung des Satzes zu erfassen und mache erst dann daraus einen richtigen deutschen Satz. Am Ende wird das fertig übersetzte Buch an den Verlag geschickt, welcher dieses nochmal liest, bevor er es dann publiziert.

Wir: Glauben Sie, dass dieser Beruf für jeden etwas ist?

Hummitzsch: Nein, dieser Beruf ist eben nichts für Menschen, die kein gutes Gefühl für Sprachen besitzen und auch nicht ein gewisses Allgemeinwissen besitzen, da, wie zuvor erwähnt, dies oft benötigt wird. Viele Anfänger unterschätzen dies und glauben, es wäre einfach, da sie die Sprache glauben zu beherrschen, da sie gute Noten in der Schule hatten, die nicht wirklich von Belang sind. Es ist eher wichtig, die Sprache auch schon „gelebt“ zu haben und sie in den verschiedensten Situationen angewendet zu haben, was man in der Schule nicht wirklich tun kann. Und die wahrscheinlich wichtigste Angewohnheit, die man haben sollte, ist der Spaß am Lesen, welcher, obwohl es eigentlich so offensichtlich ist, nicht immer bei Anfängern vorhanden ist.

Wir: Sie haben als Übersetzerin schon mehrere Bücher derselben Autoren übersetzt, sowohl aus dem Englischen als auch aus dem Portugiesischen ins Deutsche. Würden Sie sagen, dass deutschsprachige Bücher sich von anderssprachigen Büchern unterscheiden?

Hummitzsch: Also ich persönlich habe festgestellt, dass portugiesischsprachige Bücher im Vergleich zu deutschsprachigen Exemplaren weniger spannend und emotional erzählt werden, was auch andere Übersetzer aus dem Ausland finden. Das Deutsche wird von anderen Kulturen unterschiedlich bewertet. So finden beispielsweise Übersetzer aus dem arabischen Sprachraum, deutschsprachige Sätze würden zu wenig mit Adjektiven ausgeschmückt, während Leute aus dem asiatischen Sprachraum das Deutsche als elegant und mysteriös empfinden. Daran sieht man, wie vielfältig Sprache ist und wie unterschiedlich die Konzeptionen von Schönheit und Eleganz sein können.

Wir: Würden Sie sich auch zutrauen beispielsweise Bücher aus dem Englischen ins Portugiesische zu übersetzen?

Hummitzsch: Nein, auch wenn es Kollegen gibt, die das machen. Es ist meiner Meinung nach schwer gewisse Feinheiten aus einer Fremdsprache in eine Andere zu übersetzen, da beispielsweise nur wenige Übersetzer wirklich wissen, wie ein Bauarbeiter spricht. Und das kann in der einen Sprache anders sein als in der anderen Sprache.

Wir: Gibt es aus Ihrer Sicht als Übersetzerin Tendenzen in der Entwicklung des deutschen Buchmarktes?

Hummitzsch: Diese Frage ist grundsätzlich schwer zu beantworten. Ich sagte, Krimis und Liebesromane werden immer noch sehr gerne gelesen, obwohl auch ein Anstieg im Bereich der Sachliteratur wahrnehmbar ist. Aber vor allem werden immer mehr Biographien von Promis veröffentlicht, welche auch gerne gelesen werden. Meiner Meinung nach finde ich, dass die meisten von denen dies nur machen, um sagen zu können, sie hätten ein Buch geschrieben. Sie hätten es lieber sein lassen sollen.

Wir: Wie stehen Sie eigentlich zu dem Thema Sprachwandel? Denn es gibt viele Menschen, die behaupten, dass das Übernehmen von fremdsprachigen Wörtern das Deutsche zerstöre.

Hummitzsch: Meiner Meinung nach ist es komplett normal, dass Sprachen sich gegenseitig etwas abschauen, was meiner Meinung nach auch das Schöne an Sprache ist, denn sie ist flexibel und nicht starr. Außerdem führt das Übernehmen von beispielsweise Anglizismen dazu, dass man sich noch vielfältiger ausdrücken kann.

Wir: Die letzte Frage, die wir Ihnen stellen möchten, ist, wie Sie zur fortschreitenden Digitalisierung stehen und wie diese das Leseverhalten der Menschen beeinflusst?

Hummitzsch: Die Digitalisierung beeinflusst zweifelsohne unser Leben und somit auch unser Leseverhalten. So gibt es immer mehr Autoren, die ihre Bücher gar nicht mehr über einen Verlag veröffentlichen, sondern sie, wie eine Art Tagebuch, Kapitel für Kapitel ins Internet stellen. Auch die Verbreitung von E-Readern sorgt für eine Veränderung. Denn nun ist es bequemer auf Reisen zu lesen, da ich nur ein dünnes elektronisches Gerät in der Hand habe, bei welchem es noch Features, wie ein eingebautes Wörterbuch, gibt, um das Lesen in einer Fremdsprache zu erleichtern. Allerdings glaube ich nicht, dass das klassische Buch in der nächsten Zeit aussterben wird, da es noch zu viele Menschen gibt, die auf ein physisches Buch bestehen. Und selbst wenn das klassische Buch ausstürbe, bedeute dies nicht, dass die Literatur mit dem Buche stürbe. Zu den vielen Kritikern würde ich sagen, dass sie Angst vor Neuem haben und die meiner Meinung nach gar nicht gegeben sein muss.

Wir: Danke nochmals, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben und uns einen guten Einblick in den Beruf des Übersetzers gegeben und zudem noch Ihre Meinung als Übersetzerin zum Thema Literatur und Digitalisierung mit uns geteilt haben.

Daniel Plaster, Maximilian Otte, Wattanachat Soontornkomol